Osaka kennenlernen

Den Morgen begannen wir sehr früh mit einer buddhistischen Zeremonie im Tempel. Dies war sehr eindrucksvoll und wir werden an anderer Stelle noch einmal genauer darüber berichten.

Zunächst schien sich unsere Pechsträhne vom Vortag fortzusetzen. Unsere am Vorabend erfolgreich gekauften Zugtickets entpuppten sich als Nieten. Ein freundlicher Schaffner wies uns, nachdem wir die Schranke nicht passieren konnten, darauf hin, dass wir ein Tagesticket gekauft haben. Da wir es gestern gekauft hatten, war es heute leider nicht mehr gültig. Also kauften wir ein neues, wir kannten uns ja aus. Zum Glück handelte es sich nur um ein sehr kleines Lehrgeld, denn Zugfahren ist verhältnismäßig günstig und sehr angenehm, da pünktlich!!! und komfortabel.

In Osaka angekommen sparten wir uns das Taxi zum Hotel aufgrund des doppelt gekauften Zugtickets und der vorangegangenen leidigen Erfahrungen. Wir haben es auf Anhieb gefunden! Dort haben wir uns mit unserer Freundin und Partnerin Aiko Tanaka sensei getroffen, die uns in das Leben in Osaka und die Japanische Kultur einführen wird. Die Wiedersehensfreude war sehr groß!

Das Highlight war der Besuch eines Noh-Theaters. Was von Außen als schlichte Fassade erschien, entpuppte sich innen als architektonisches Schmuckstück. Anstelle, wie erwartet, dort eine Aufführung zu sehen, wurden wir von der Inhaberin Yoshie Yamamoto san und dem Inhaber Akihito Yamamoto san sowie einer Schauspielerin des Theaters in Empfang genommen und mit einem Matchatee und süßem Bohnengebäck begrüßt. Uns erwartete eine private Führung mit der Anprobe von Masken und Gewändern. Vor allem wurde uns aber die Geschichte der 700 Jahre alten, also aus der Samuraizeit stammenden Theaterkultur näher gebracht. Die besondere Schwierigkeit der bis vor kurzem nur männlichen Schauspieler war und ist, dass sie durch die kleinen Sehschlitze der ausschließlich weiblichen Masken die Bühne kaum erkennen konnten. Zur Orientierung dienen die Eckpfeiler des tempelartigen Daches und das Abzählen der Schritte in einer Art Choreographie. Als wir die Masken und Gewänder anprobieren durften, waren wir kurz in Sorge, dass wir gleich auf die Bühne müssen. Glücklicherweise wurden nur Fotos gemacht, was sicherlich für alle besser war. Bevor die Maske angelegt wird, wird sie durch eine Verbeugung begrüßt. Beim Ablegen bedankt man sich bei ihr. Besonders beeindruckend war der Gesang, der erstaunlich voluminös war. Besonders ist, dass in der persönlichen Stimmlage gesungen wird und anstelle von Noten gab es nur Vorgaben zur Richtung der Tonhöhe. Die Theaterstücke und Gesangstechniken werden seit 700 Jahren vom Vater zum Sohn überliefert. Seither ist es Tradition, dass dabei Frauen mithilfe der Masken dargestellt werden. Dabei gibt es verschiedene Altersstufen, die sich durch die Frisuren und Gesichtskonturen unterscheiden. Auch am Gewand lässt sich das Alter der dargestellten Frau ablesen. Junge Frauen bis 15 Jahre trugen rote Gewänder. Ursprünglich bestand das Publikum ausschließlich aus den Samuraikriegern, die von den Grausamkeiten des Krieges abgelenkt werden sollten. Später konnten sich auch wohlhabende Familien Theaterstücke ansehen und mit der Industrialisierung ist es der gesamten Bevölkerung möglich, das Theater zu besuchen. Es werden drei verschiedene Altersstufen und drei Gemütszustände verkörpert. Zum einen das lachende nach oben blickende, dann das traurige nach unten blickende Gesicht und die Wut wird durch eine Teufelsmaske dargestellt.

Architektonisch ist das Theater unglaublich gut durchdacht. Es enthält viele Elemente eines traditionellen Tempels, wie beispielsweise das geschwungene Dach, was ähnlich aussieht wie ein Reetdach, hier aber aus schmalen Holzschindeln besteht. Das Hirnholz der Dachbalken wurde mithilfe von einem weißen Anstrich vor Feuchtigkeit und Sonneneinstrahlung geschützt. Da das Theater ursprünglich unter freiem Himmel stand und es keine Elektrizität gab, war das Gebäude von weißen Kieselsteinen umgeben. Diese Steine reflektierten bei Sonnenschein das Licht auf die Bühne.

Zum Schluss wurden wir mit einem geröstetem grünen Tee einschließlich einer kurzen Erklärung zur Teezeremonie und Nussgebäck verabschiedet. Wir bedanken uns ganz herzlich für die Gastfreundschaft und die überaus informative und interessante Einführung in das Noh-Theater.

Im Anschluss wartete eine andere Art von japanischer Kultur auf uns. Die japanische Kultur, die vorher so fein und zurückhaltend erschien, verwandelte sich nun im Dotonburi-Distrikt zu einem schrillen, lauten, Menschenmassen anziehenden Vergnügungspark, Einkaufs- und Gaststättenviertel, welches dem Timessquare in New York Konkurrenz macht. Hier gibt es riesige Bildschirme an den Fassaden der Hochhäuser, Edelboutiquen in großer Anzahl, aber auch Supermärkte und Geschäfte für den täglichen Bedarf und Autohäuser jeglicher Preisklassen. In diesem Distrikt hat uns Aiko sensei in die die tradiotionelle Küche Osakas (der Magen Japans) eingeführt. Dort durften wir unter anderem die bekannten Takoyaki (Oktopusbällchen) probieren.

Während des Essens sprachen wir über die vergangene und zukünftige Zusammenarbeit und freuen uns sehr auf zwei weitere ereignisreiche Tage und spannende Gespräche über Ausbildung, Kultur, Chancen und Problematiken des Arbeitsmarktes. Dabei ist unser gemeinsames Ziel die japanisch-deutsche Freundschaft und ein guter internationaler Austausch über die Ausbildung junger Menschen über die Landesgrenzen hinweg. In der aktuellen Zeit wird ein kultureller Austausch und Verständnis füreinander wichtiger denn je.

geschrieben von Lisa Böhle und Martin Ossenkopp