Das Finnische Berufsbildungssystem in a Nutshell

Flexibel, individuell, schülerorientiert und praxisnah: so durften wir das finnische Berufsbildungssystem kennenlernen. Auffällig war einerseits das Modulare System, andererseits die enge Zusammenarbeit von Theorie und Praxis. Ähnlich dem deutschen System schließt die Berufsschule an die neunte Klasse an und ist neben der Allgemein-bildenden Schule gleichwertig. Wir haben einen kompletten Vormittag damit verbracht, unsere Dozentin Laura mit Fragen zu löchern.

Laura stellte uns detailliert das finnische Berufsbildungssystem vor. Was uns dabei überrascht hat, ist das Modulare Punktesystem, auf das es aufgebaut ist. Es sind in einer Ausbildung insgesamt 180 Punkte zu erreichen. Diese kann man durch Kurse erlangen, die jeweils eine bestimmte Anzahl von Punkten bieten. Dabei gibt es Pflichtkurse und Wahlkurse. So können die Lernenden ihren individuellen Lernpfad in den halbjährlichen Coachings selbst zusammenstellen.

Wenn Lernende einzelne Bausteine nicht schaffen, können sie sie zu einem späteren Zeitpunkt wiederholen. Sollten Lernende mit Vorerfahrungen die Schule besuchen, können sie sich Kurse anrechnen lassen und Zeit überspringen. Hie besteht dann auch die Möglichkeit, die Ausbildung in kürzerer Zeit zu absolvieren oder in der frei werdenden Zeit andere Kurse zu besuchen. Es werden einige Module als Selbstlernkurse über das LMS „ItsLearning“ angeboten. In diesen Kursen können die sich die Lernenden selbst mithilfe der speziell entwickelten Kursen die Prüfungsreife erarbeiten und die Kurse abschließen. Dazu werden allen Lernenden in der Schule Laptops zur Verfügung gestellt. In einem persönlichen Gespräch wird entschieden, ob sie die Kurse in Räumlichkeiten in der Schule durchführen, oder ob sie sie zu Hause absolvieren. Die Lernenden können mit Hilfe eines „Sternchen-Systems“ selbst das Lernniveau bestimmen und haben dadurch direkten Einfluss auf ihre eigene Note. Dieses System bietet eine maximale Flexibilität. Zudem können einzelne Bausteine aktuellen Gegebenheiten angepasst werden, sodass die Ausbildung laufend modernisiert werden kann.

Theorie und Praxis

Bei der Besichtigung der Schule in Loimaa konnten wir viele Bereiche kennenlernen: Die Weberei und Näherei, die Sprachklassen und die Bauabteilung. Auch hier konnten wir viel über das finnische Schulsystem lernen, von dem wir uns vielleicht auch eine Scheibe abschneiden können. Finnische Berufsschullehrer haben, wie deutsche auch, eine abgeschlossene praktische Berufsausbildung und ein Master-Studium absolviert. So wie deutsche Berufsschullehrer auch, sind sie also sowohl in der Theorie als auch in der Praxis ausgebildet. Der große Unterschied: Sie sind Theorielehrer und Praxislehrer in einer Person! Das ermögliche eine perfekte Koordination der beiden Lernbereiche. Und eine Flexibilisierung: Wenn ein Theorie-Block benötigt wird, wird mehr Theorie unterrichtet. Soll das gelernte umgesetzt werden, wird mehr auf die Praxis eingegangen. Mit diesem System könnten auch in Deutschland in den Fachstufen eine viel höherer Praxisbezug hergestellt werden.

Reale Projekte

Grundsätzlich wird viel an realen Projekten gearbeitet. Die Bandbreite ist dabei sehr groß: in der Bautechnik werden Hütten, Holzunterstände, Saunen, Briefkastenhalter, Müllboxen usw. aus Holz gefertigt und verkauft. Zudem werden in Langzeitprojekten reale Häuser gebaut. Es stehen bereits ganze Siedlungen von Häusern, die von Auszubildenden selbst gebaut wurden. Durch diesen sehr realen Bezug gewinnt auch der Schulische Teil der Ausbildung eine bedeutsame Komponente. Wir konnten insgesamt eine ernsthafte und entspannte Arbeitsatmosphäre beobachten.