Jetzt lass mal Fünfe gerade sein!

Während die uns eigentlich zugeteilte Klasse diesen Freitag frei hatte, wurde uns die Ehre zuteil, an Tag 6 an einer der Hütten weiterzuarbeiten, die in der großen Halle des Holzbereichs gefertigt werden. Man zeigte uns das benötigte Material, eine bereits fertige Hütte als Muster und danach wünschte man uns viel Spaß. Alles andere war „learning by doing“.

Ab diesem Moment an kristalliserten sich über den Tag hinweg erste Differenzen heraus, welche die Qualitatsansprüche und Präzision beim errichten einer solchen Hütte betrifft. Je mehr Maße wir von der „Musterhütte“ nahmen und aus Interesse die Wasserwaage ansetzten merkten wir schnell, dass diese Hütte dem Hundertwasserprinzip entsprach. Vieles krumm und schief, rau und glatt zugleich. Ein Unikat für sich.

Auf Nachfrage bei Franz, dem Tutor der heutigen Klasse, klärte er uns auf. Diese „Mökkis“ die hier gebaut werden, sind als Übernachtungsmöglichkeiten für Wanderer in der Natur vorgesehen. Das heißt: Die Hütten sind permanent extremem Witterungsverhältnissen ausgesetzt. Dadurch sei vieles was man hier an Liebe und Genauigkeit aufbrachte eher für die Katz, da der erste Winter diese Mühen sehr schnell zu Nichte machen würde. Die Hütten werden daher auch nur wenige Jahre verwendet, abgerissen und als Feuerholz neben die neu aufgestellte Hütte gestapelt.

Nach diesem Paradigmenwechsel im Vergleich zur gewohnten Maßarbeit und der neuen Mentalität, einfach mal „Fünfe gerade sein“ zu lassen ging es, zwar noch mit einiger Skepsis, weiter. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass wir beide aus Möbeltischlereien kommen, wo die Maßgenauigkeit und Sorgfalt eine andere ist, nicht besser oder schlechter, sondern einfach anders. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist nur schwer vergleichbar. Niemand würde der Öffentlichkeit mitten im Wald eine mit Speziallack auf Hochglanz lackierte Hütte präsentieren, die an jeder Stelle perfekt geschliffen ist und am besten noch in Waage steht.

Damit haben wir aber auch einen weiteren Schritt im Erasmus-Programm getan, nämlich Unterschiede herauszustellen und gegenseitig zu akzeptieren. Des weiteren wird in Finnland nicht weiter zwischen Holzgewerken Unterschieden, sondern das ganze nur unter dem Begriff des „Puuseppä“ zusammengefasst, Sprich eine Unterscheidung zwischen z.B. Tischler und Zimmerer oder Bau- und Möbeltischler gibt es hier nicht. selbst Google Übersetzter gibt auf alles die selbe Antwort.

Auch diese Arbeit hat ihre Vorzüge. Ein Brett nehmen, dranhalten und mit der Nagelpistole so lange Nägel hineinjagen bis es sich nicht mehr bewegt, ein Spaß für sie und ihn. Mit den neugewonnenen Erfahrungen und noch etwas viel besserem endete unser letzter Arbeitstag der ersten Woche, nach welchem wir den Freitagabend mit dem Kochen von Omas Frikadellenrezept verbrachten. Wir hoffen, ihr bekommt Hunger. Auf Wiedersehen!