Die erste Nacht in unserem kleinen Häuschen haben wir bestens überstanden und es war an der Zeit, an diesem für finnische Verhältnisse erstaunlich sonnigen Dienstag unseren Arbeitsplatz für die nächsten zweieinhalb Wochen kennenzulernen. Der Standort der Novida-Schule in Uusikaupunki beheimatet neben den kaufmännischen und sozialen Lehrberufen auch einige Handwerke. Dazu zählt auch die Tischler/Zimmererabteilung. Der erste Eindruck war überwältigend, da das Schulgelände mehrere größere Trakte und Hallen umfasst und auch die Halle der Holzabteilung war, untermalt von einer sanften Kiefernholznote, mit allem ausgestattet, was ein Tischlerherz glücklich macht.
Doch das war bereits alles, was wir fürs erste zu sehen bekamen, denn die großen Vappu-Feierlichkeiten standen bereits vor der Tür und dementsprechend hatten die Finnen nicht mehr so viel mentale Energie für ihre Arbeit übrig.
Dieser Feiertag gebührt ganz den Studenten, die in diesem Jahr einen Abschluss erlangt haben. Am Anfang des Studiums erhalten alle Studenten einen Overall in einer vorher Regional und Fachrichtungsabhängig abgestimmten Farbe und dem Namen der Universität. Zum Beispiel stehen in der Region Turku aktuell gelbe Overalls für BWL und Medizin, Blau für Bauingenieure usw. So ein mannshoher Sack ist ja erstmal ziemlich nichtssagend, wären da nicht die Patches. Wie ein Pfadfinder auf seiner Kluft, sammelt jeder finnische Student fleißig über die Semester Patches und Aufnäher, die an den Hosenbeinen mit Nadel und Faden angebracht werden. Patches gibt es hier allerdings nicht für besondere Verdienste oder die Teilnahme an Gruppenreisen, sondern für Fesitivitäten, Partys, sowie den Besuch in bekannten Lokalitäten und Bars. Auf diese Weise können sich alle Studenten einen personalisierten Overall „erarbeiten“, den sie dann immer wenn es etwas zu feiern gibt, tragen.

Das Ziel jeder Hosenfarbenbasierten Gruppe ist es eine Flug- oder Hebekonstruktion zu organisieren und den bekannten Statuen der Großstädte eine Seemannskappe aufzusetzen. Beispiele dafür sind Kräne, Ballons oder Menschenpyramiden. Doch diese coolen Mützen gibt es nicht an jeder Straßenecke zu kaufen. Der einzige Weg, an solch eine Mütze zu kommen ist ein Universitätsabschluss.

Mit diesem Vorwissen ist es wohl Zeit, euch unsere Nachbarn vorzustellen. Ähnlich wie wir, sind Martin, Koray und Ben mit einem Erasmus Stipendium nach Finnland gereist und lernen hier für ihre Ausbildung zum Industriekaufmann wichtige Lektionen im Regale einräumen. Zufällig sprechen sie Deutsch. Was sie noch sympathischer macht ist, dass sie ein Auto haben.
Also haben wir uns mit ihnen kurzgeschlossen und uns dazu entschieden, die Energie der Finnen voll auf uns wirken zu lassen und uns mitten in die Menschenmengen zu stürzen. Es ging auf in die zweitgrößte Stadt Finnlands: Turku. Dort herrschte bereits Ausnahmezustand und man konnte zeitweise vor weißen Mützen die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Seht selbst:



Aber es gab natürlich auch schöne Ecken in dieser Stadt und wir sind sehr dankbar, dass wir dieses Spektakel miterleben durften. Wir verabschieden uns für heute nach einem anstrengenden aber eindrucksvollen Tag 3.




